Sternenexplosion im Jahr 2022? Das Mysterium um KIC 9832227

 

In den tiefen Weiten des schier unendlichen Universums scheinen die Gegebenheiten des modernen Alltags keine besondere Relevanz mehr zu haben. Die Himmelskörper verhalten sich gänzlich anders als Objekte auf der Erde dies tun. Ihnen liegen schließlich auch andere physikalische Beschreibungen zugrunde und abhängig von der Dynamik eines Systems sind die den Modellierungen unterworfenen Zeitskalen auf einer Länge von einigen Jahren astronomisch unerheblich.

 

Das gilt zumindest für die allermeisten Objekttypen bei denen sich Änderungen von physikalischer Signifikanz nicht selten erst über Jahrmillionen bemerkbar machen. Im vorliegenden Fall reichen jedoch schon einige Jahre an Beobachtung aus, um eine Prognose für die Weiterentwicklung des Systems zu generieren. Was sich dabei im Anschluss herausstellte hat die Debatte um das System mit dem Namen KIC 9832227 in den letzten Monaten einigermaßen heftig „befeuert“. Was hat es damit eigentlich auf sich?

 

Was ist KIC 9832227?

 

Klären wir zunächst die physikalische Grundlage: KIC 9832227 ist ein Doppelsternsystem, dass sich rund 1800 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schwan befindet. Doppelsterne sind durch die Gravitation gebundene Systeme, die aus zwei Einzelsternen bestehen. Die Einzelsterne umlaufen sich dabei gegenseitig wie Planeten und ihr Zentralgestirn dies tun. Ursprünglich wurde das System KIC 9832227 im Northern-Sky-Variability-Survey (NSVS) als ein veränderlicher RR-Lyrae-Stern aufgeführt. Hier handelt es sich um pulsationsveränderliche Sterne die innerhalb eines Zeitraums von etwa 12 Stunden rhythmisch kontrahieren und im Anschluss expandieren.

 

Weiterführende Messungen von Lawrence Molnar et. al. stellten im Spektrum des vermeintlich pulsationsveränderlichen Sterns allerdings signfikante Verschiebungen der Absorptionslinien fest. Solche Dopplerverschiebungen kennt man in der Art zwar auch von pulsationsveränderlichen Objektklassen; das beobachtete Spektrum und die einhergehende Analyse des Systems ließen dann aber keinen Zweifel daran, dass es sich bei KIC 9832227 um ein physisches Doppelsternsystem handeln muss. So wurde die ursprüngliche Aufzeichnung im NSVS im Anschluss an die Analyse revidiert.

 

Die Periode verkürzt sich!

 

Mittlerweile hatte das System bei zahlreichen astronomischen Institutionen Aufsehen erregt. Daher ist es kaum verwunderlich, dass im Anschluss an die ersten Beobachtungen eine permanente Überwachung der Sterne erfolgte. Gleichzeitig erfasste man die für eine Beurteilung des Systems nötigen Zustandsgrößen wie zb. die Umlaufzeiten der beteiligten Objekte. Dies markiert schließlich den entscheidenden Wendepunkt bezüglich des Interesses an KIC 9832227! Es konnte mit eindeutiger Beweisbarkeit festgestellt werden, dass sich die Periode des Systems verkürzt.

 

Klären wir zunächst die Bedeutung des Begriffs ,,Periode“ im astronomischen Kontext. Periode bezieht sich auf das kleinstmögliche Zeitintervall mit der sich ein Prozess oder Mechanismus wiederholt. So beträgt die Periode der Umlaufzeit der Erde um die Sonne stets exakt 1 Jahr (365 Tage) wohingegen die Periode der Umkehrung des Erdmagnetfeldes unregelmäßig ist. In jedem Fall meint der Begriff Periode im Zusammenhang mit unserem Doppelsternsystem die Umlaufzeiten der beiden Körper. Welche physikalische Konsequenz folgt aber aus einer Verringerung eben jener Umlaufzeiten?

 

Im Allgemeinen ist die Zeit definiert durch: T = s / v

 

Dabei ist s die zurückgelegte Strecke und v die Geschwindigkeit. Mit einer Verringerung der Umlaufzeit T muss nach der mathematischen Logik auch eine Verrringerung der zurückgelegten Strecke s folgen. Dies wiederum bedeutet übertragen auf unser Beispiel, dass die Periodenverkürzung des Systems gleichbedeutend mit einer Verringerung des Abstands beider Körper ist.

 

Die Sterne des Doppelsternsystems KIC 9832227 kommen sich also immer näher! Diese Steigerung kann nicht unendlich lang getrieben werden. Nach der zweiwertigen Logik gibt es aus dem finalen Abschluss des Systems, dass in einer Kollision beider Komponenten miteinander bestehen muss, keinen Ausweg mehr. Die Sterne werden verschmelzen. Die einzige Frage die sich noch stellt ist: Wann?

 

Wann verschmelzen die Sterne?

 

Zweifellos muss für eine Stellungnahme zu dieser Frage eine lange und umfangreiche Datenanalyse des Systems durchgeführt werden. Die Beobachtungen der letzten Jahre zeigen, dass sich die Sterne des Systems exponentiell annähern. Dies ist wenig verwunderlich wenn man berücksichtigt, dass die Umlaufzeit der Komponenten eine physikalische Konsequenz der beteiligten Gravitationskräfte ist. Wenn sich die Sterne näher kommen wirkt ihr Schwerkraftfeld stärker auf den jeweils anderen. Dadurch wird eine Abbremsung weiter verstärkt, was sich wiederum in einer Verkleinerung des Abstands niederschlägt. Auf diese Art bekommt man einen Selbstverstärkungsprozess in Gang, der die Abbremsung beider Komponenten zeitlich beschleunigt und darüber hinaus den exponentiellen Phasenverlauf erklärt.

 

Rechnet man mit den derzeitigen Abbremsungsparametern, so ist eine Verschmelzung der Sterne und die anschließende Explosion des Systems für das Jahr 2022 zu prognostizieren. Um sich diesbezüglich umfangreich abzusichern bedient man sich der Methode ein sogenanntes Observation - Calculated-Diagramm zu erstellen. Die theoretische Modellierung des Orbitalverlaufs wird also mit den tatsächlichen Beobachtungsdaten verglichen. Die Prognosen und Messpunkte die das entworfene Orbitalmodell für das System KIC 9832227 generierte trafen in den letzten Jahren exakt zu! Fügen sich die in der Weiterentwicklung des Systems beobachtbaren Bahnelemente an das Modell an, steigt die Wahrscheinlichkeit, mit der das Jahr 2022 der Explosionszeitpunkt wird. Definitive Aussagen können diesbezüglich jedoch nicht getroffen werden.

Kommen wir noch kurz zum Namen des eigentlichen Phänomens. Für das Jahr 2022 wird eine sogenannte ,,Rote Nova“ prognostiziert. Derartige Erscheinungen sind in unserer Galaxie vergleichsweise selten und besonders. Bislang sind nur wenige Rote-Nova-Kandidaten in der Milchstraße bekannt und anlehnend daran ist es kompliziert, Maßstäbe zu finden die als Vergleichskriterium zu KIC 9832227 herhalten.

 

KIC 9832227 - Ein Einzelfall?

 

Im Jahr 2008 wurde bei einem Doppelsternsystem im Sternbild Skorpion eine derartige Rote Nova beobachtet. Das System mit dem Namen V1309 Scorpii wurde dahingehend umfangreich analysiert und beobachtet. Auffällig ist, dass alle bislang beobachteten Roten Novae bezüglich ihrer Periode in einem schmalen Datenfenster lagen. Ein kleiner Ausschnitt an beobachteten Perioden scheint gewisse Doppelsternsysteme als Vorläufer für Rote Novae zu prädestinieren. Auch KIC 9832227 gehört mit einer Periode von heute 11 Stunden (Stand: Dezember 2017) dazu.

 

Letztlich ist die Verschmelzung der beiden Sterne nur noch eine Frage der Zeit. Die stetig zunehmende Verkürzung der Umlaufzeiten beider Komponenten lässt den wissenschaftlichen Schluss zu, dass das System in einigen Jahren explodieren wird. Die bisherigen Modelle scheinen für die Weiterentwicklung des Systems sehr zutreffend zu sein. Eine Garantie für die Prognose gibt es aber trotzdem nicht, weil derartige Systeme einer Eigendynamik unterliegen die selbst mit höchster mathematischer Kunst nicht gänzlich zu erfassen ist.

 

Anmerkung: Der ursprünglich vorhergesagte Zeitpunkt der Explosion, wurde im Zuge der Datenauswertung revidiert. Die Entdeckung eines fehlerhaften Messpunktes in der Lichtkurve lässt vermuten, dass die Explosion deutlich später erfolgen muss und das System im Jahr 2022 noch für einige Zeit weiter besteht. (Januar, 2019)